Donnerstag, 20. Juni 2002  
 

Schwimmer entern Brutinseln

Ein paar Tage alt ist diese Flussseeschwalbe. Sie lebte bis gestern gefährlich, weil der Zaun kaputt war. (Fotos: Markus Weißenfels)

Zäune der Plattformen wurden abgerissen, Gelege der Flussseeschwalbe zerstört.

WESEL. Eigentlich ist am Auesee alles ganz klar geregelt. Es gibt Bereiche für die Menschen und es gibt Bereiche für die Tiere. Eigentlich. Denn an heißen Tagen suchen Badefreunde auch dort Abkühlung, wo sie nichts zu suchen haben. So an den vergangenen beiden Wochenenden, als sich Jugendliche an den drei neu im See verankerten Brutinseln der Flussseeschwalben zu schaffen machten.

Sie beschädigten nicht nur den Maschendrahtzaun, sondern zerstörten auch ein Gelege. Die Fachleute der Biologischen Station rechneten schon mit dem Schlimmsten, nämlich damit, dass die rund 25 Brutpaare Hals über Kopf flüchten und die Eier sich selbst überlassen. Glücklicherweise blieben die Sommergäste, die zum Teil ihren Standort von den beiden künstlichen Inseln vor der Vogelbeobachtungsstation auf die drei neu geschaffenen Brutmöglichkeiten verlegt haben.

Gestern machte sich Paul Schnitzler von der Biologischen Station mit dem Boot auf zu den idyllisch gelegenen Plattformen auf dem kühlen See, um den Zaun wieder zu befestigen und Schilder anzubringen. "Bitte nicht betreten, hier brütet die vom Aussterben bedrohte Flussseeschwalbe" steht auf dem folienverschweißten Papier, damit es auch diejenigen begreifen, die rücksichtslos die Inseln enterten.

Gefahr für den Vogelnachwuchs

Die zerstörten Schutzzäune hätten für die beiden geschlüpften Tiere bereits zur tödlichen Falle werden können. Rutschen sie nämlich von der kiesbestreuten Fläche ins Wasser, ertrinken sie jämmerlich im See. Denn der Vogelnachwuchs kann momentan weder fliegen noch schwimmen.

Noch ist es relativ ruhig in der Kinderstube der elegant fliegenden Flussseeschwalbe. Doch ein Blick auf die Inseln zeigt, dass hier noch jede Menge Eier liegen, in zahlreichen Sandmulden bis zu vier Stück.

Die Biologen hoffen nun auf die Einsicht der Badenden. Verstärkte Kontrollen sollen sie davon abhalten, die Tiere nochmals zu stören. Funktioniert dies nicht, müsse man sich notfalls Gedanken machen, die Inseln an eine schwer zugängliche Stelle zu verlegen, sagt Schnitzler, der von vielen weiteren Zerstörungen rund um den Auesee zu berichten weiß.

Müll in rauen Mengen ist da noch das geringste Übel. Regelmäßig würden die Infotafeln des Lehrpfades demoliert, ja sogar verbrannt. Auch Bäume seien schon mehrfach ausgerissen worden, um damit ein Lagerfeuer zu entzünden. Kürzlich hätten Unbekannte eine Bank am Rundweg aus der Verankerung gerissen und sie bis ans Ufer geschleppt. Zaunpfähle seien ebenfalls schon verschwunden, wobei Zäune von vielen nicht als Hindernis empfunden werden. Selbst die Fundamente für die Lehrtafeln fanden Anhänger. Freitags habe man sie gegossen, montags seien sie bereits weg gewesen. Bei soviel Trubel wundert es nicht, dass die extra angelegte Steilwand für die Uferschwalbe verwaist ist. Denn statt der Vögel aalen sich hier Sonnenhungrige.

Übrigens: Die beiden Brutinseln vor der Vogelbeobachtungsstation stehen jetzt nicht komplett leer. Eine davon wird von einem Mittelmeermöwenpärchen genutzt, das bereits zwei Junge hat. Die Mittelmeermöwe, bei uns relativ selten, lebt ganzjährig hier und ist unter anderem auch im Weseler Ölhafen zu Hause.


19.06.2002    PETRA HERZOG