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LEBENDIGER RHEIN / Naturschützer als Entwicklungshelfer. Damit der Fluss auch oben rum wieder in Form kommt. Manchmal bedeutet Fortschritt auch Rückschritt. Der Rhein ist ein schönes Beispiel dafür. Der Blick in die Probengläschen von Andreas Scharbert ist Beweis, dass sich wieder einiges unter der Wasseroberfläche tummelt. "Vor 20 Jahren musste man für die gleiche Menge Individuen unter 100 Steine schauen", zeigt der Diplom-Biologe von der Forschungsstelle der Uni Köln in Grietherbusch. Heute kreucht und fleucht schon unter drei Steinen so viel Getier, dass der Wissenschaftler auf Anhieb jede Menge Forschungsmaterial hat. Die Fischfauna ist fast so reichhaltig wie vor 100 Jahren.Schwimmen ist bei der Wasserqualität längst kein Problem mehr, sagen Naturschützer. Fehlen zur Idylle, wie sie die Künstler Koekkoek und Marx malten, nur noch ein wenig Sand unter den Füßen und Muscheln am Strand. Das ist es, was sich Klaus Markgraf-Maue? vom Nabu-Naturschutzzentrum Kranenburg für den Fluss wünscht. Dass er auch oben rum wieder lebendig wird.Rein äußerlich erinnert die meistbefahrene Binnenwasserstraße Europas heute an vielen Stellen mehr an den Ruhrschleichweg, denn an ein bewegendes Naturschauspiel. Der Rhein ist eine eintönige Fahrrinne mit Standardprofil. Noch. Dass Schifffahrt und Natur nebeneinander existieren können, davon zeugt das 2003 für vier Jahre aufgelegte Projekt "Lebendiger Rhein - Fluss der tausend Inseln", das dem Strom ein wenig seiner alten Faszination zurück geben soll. Eine Halbzeitbilanz. Kehrt marsch Fluss der tausend Inseln ist etwas übertrieben, sagt Naturschützer Markgraf-Maue?. Dass sich die Zustände wie vor 100 Jahren wieder herstellen lassen, wissen die Umweltaktivisten, ist eine Illusion. Dafür müsste die Industrie ihre Arbeit einstellen und Rheinbrücken würden abgebrochen. Dass das nicht geht, braucht Bernd Lüllau, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Duisburg nicht großartig zu erklären. "Dann können wir gleich in die Hütten zurück und es gibt hier Malaria." Wer will das schon. Der Rhein soll nicht mehr nur Verkehrsweg sein, sondern auch Erholungsgebiet der Menschen und Entwicklungsfläche für Tiere. Heute versucht man, auch aus Gründen des Hochwasserschutzes, Brücken zu bauen und Projekte gemeinsam anzupacken. Im Endeffekt erobert sich der Strom sowieso das Gebiet zurück, das man ihm seinerzeit genommen hat. Deshalb sind wir auch über ein paar Kiesinseln, die außerhalb der Fahrrinne wandern dürfen, schon glücklich", so Markgraf-Maue?. "Wir wollen keine Naturschutzideen spinnen, die sich sowieso nicht realisieren lassen." Ziel soll eher sein, Menschen und Gewerbetreibende, die am und vom Rhein leben, zu überzeugen, nicht nur zu nehmen, sondern auch was für ihren Fluss zu geben. In diesem Fall Gelder zur Renaturierung der Ufer.Manchmal kann man aber auch ohne Geld viel erreichen, wie am Krupp-Hafen Rheinhausen. Hier darf nach Abtragung der Schlacke aus dem längst geschlossenen Stahlwerk der Fluss schalten und walten wie er will. Auf einem Abschnitt von 1,4 Kilometern Länge wird die Gestaltung des Ufers der Strömung überlassen, der Fluss wurde aus seinem Steinkorsett befreit. Naturschutz durch Unterlassung - ein Modell, das auch anderswo Schule machen soll.Denn gerade diese flachen Uferbereiche bieten für die Flussbewohner die Strukturen, in denen sie ihren Nachwuchs aufziehen können. Aber schippern Sie mal in einem Bötchen über den Rhein, und der Schubverband fährt vorbei. Für Menschen ist der Wellenschlag spaßig, den Fischen und Krebsen wirbelt der Lastkahn gehörig den Laich durcheinander.Daher werden durch Buhnen, Parallelwerke und Nebenrinnen wie in Walsum, Beekerwerth und Bislich-Vahnum ruhige Bereiche für die Rheinbewohner geschaffen. In vielen Fällen übrigens für Neubürger, Neozoen, die es etwa durch den Rhein-Main-Donau-Kanal an den Niederrhein verschlagen hat, klärt Scharbert auf.Damit die sich auch am Niederrhein heimisch fühlen, soll im Bereich der Bislicher Rheinfähre eine Nebenrinne geschaffen werden, die möglichst die meiste Zeit des Jahres durchflossen wird. Das ist leichter gesagt als getan, aber die Planungen dafür laufen bereits. Damit dieses Projekt in Angriff genommen und der Rhein auch in Bislich zu einer Lebensader für alle wird, die an, mit und in ihm leben, dauert es. Dafür fehlt derzeit das Geld. Manchmal muss der Mensch der Natur wieder auf die Spünge helfen. Infos zum Projekt beim Naturschutzzentrum in Kranenburg, Tel: 02826/9 20 94. Im Netz www.lebendiger-rhein.de. | ||||
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