Donnerstag, 08.09.2005
 

Aqua-Plan

Hat alles gemanagt: Volker Knechten. (Fotos: Heiko Kempken)

WASSERWEGE / Straelen hat ein Bad. Das ist alt und teuer. Deshalb baut die Stadt ein neues. Und kommt günstiger weg.

Bädersterben allerorten. Städte schließen ihre Zweit-, Dritt- oder Viert-bäder, um das Erstbad über Wasser zu halten. Freibäder werden abgegeben und von Vereinen übernommen, die in aufreibender Kleinarbeit marode Bauten auffrischen und ehrenamtlich steuern. Die Stadt Straelen macht das anders. Sie baut ein neues Bad, betriebsbereit ab April 2006. Eine Seltenheit in diesen Tagen. Das bekommt zwar nicht die Vorsilbe Spaß, soll den Bewohnern der Blumenstadt aber genau den vermitteln. Mit Fitness-, Sport- und Action-Bereich. "Wasserstraelen" kostet vergleichsweise günstige 8,3 Millionen Euro und wird bezahlt aus Eigenmitteln. Das können nur noch wenige leisten. In Eindhoven etwa tut sich was, sonst: Fehlanzeige. Warum funktioniert es in Straelen?

Letztlich spart die Stadt sogar

Volker Knechten, stellvertretender Amtsleiter der Stadtverwaltung und Manager des Bad-Betreibers Aqua Fit GmbH, ist der Bad-Meister schlechthin und kann ansatzlos zu einem Zweistunden-Vortrag über den Zweckbau ausholen. Dabei legt er sogar gern Zahlen auf den Tisch. Die Opposition im Stadtrat hat zwar ob der Kosten gemoppert, doch die Mehrheit genehmigte den Kredit - Sprungbecken? 300 000 extra? Klar, muss sein! Zur Ehrenrettung gegen Vorwürfe der Prasserei: Das wurde woanders eingespart. Dennoch: Straelen hat es und zwar gut: Zins und Tilgung kann die Stadt mit ausgeglichenem Haushalt aus eigenen Erträgen aufbringen - "und letztlich sparen wir sogar", sagt Knechten.

Eingespart wird das Minus, das das bisherige Hallenbad verursacht: 300 000 pro Jahr, vor 15 Jahren waren es sogar 400 000 Euro, die jährlich für Wasseraufbereitung und die damals noch versuchte Instandhaltung durch die Filter flossen. Instandhalten entfiel Anfang/Mitte der 90er Jahre, als die Pläne für ein neues Bad reiften. Die wurden nach dem Großprojekt "Umsiedlung NBV/UGA nach Herongen" konkret.

Bekannt ist seit langem zweierlei: Es ist günstiger, ein neues Bad zu bauen als ein altes instandzuhalten. Und: Selbst wenn man es schlau anstellt, bleibt ein öffentliches Bad defizitär. Die Straelener Verwaltung hat eine Menge unternommen, um das Minus klein zu halten. Zunächst kann der Verkauf des Grundstücks des alten Bades als Baugrund eingebucht werden. Weiter darf sich Straelen freuen, dass die jährliche Kreisumlage von 8,5 Millionen Euro um den erwirtschafteten Minusbetrag des Bades gekürzt werden kann.

Am wichtigsten: Straelen hat Marktforschung betrieben, um ein Bad zu bauen, das ein Publikumsrenner wird. Jeder größere und geflieste Bau im Umkreis von 30 Kilometern wurde unter die Lupe genommen. Fazit: Spaß war gestern, mit Sport verdient man nichts und hausbacken kommt überhaupt nicht an. Mit dem Architekten Koppert Koenis und dem Ingenieurbüro Eisenmenger Corporation wurde ein anderes Bad ausgetüftelt: Eines, das dem Trend zur Wasserfitness folgt. Das solche Kurse in Eigenregie anbietet. Das gleichzeitig Sportverein, Mutter, Kind und Vater sowie den Senior anspricht, der in Ruhe seine Runde drehen will. Alles unter einem Dach.Straelen zumindest versucht´s und ist guter Dinge, wie Knechten zufrieden anmerkt, während er Plan um Plan auf den Tisch legt. 25m-Sportbecken, Actionbecken, Lernbecken - und ein per Schallwand abgetrennter Fitness-Bereich für: Geburtsvorbereitung, Cardio, Fit Zirkel, Fatburn, Hydro, Jogging - alles mit Vorsilbe Aqua. Hier soll das Geld verdient werden, das andere Bereiche mitträgt.

Kalkulierte 120 000 Gäste im Jahr

"Dabei treten wir natürlich in Konkurrenz zu Volkshochschule oder Vereinen", sagt Knechten. Nach dem Blick in die Nachbarstädte Arcen und Geldern sowie Absprachen mit den dortigen Badbetreibern sieht er "Wasserstraelen" auf gutem Weg. "Alle Aqua-Kurse sind überall ausgebucht. Wenn wir noch Kapazitäten frei haben sollten, können wir die an VHS oder Vereine vermieten."

Das Projekt ist betriebswirtschaftlich durchgerechnet - und unterliegt diesen Spielregeln. Mitarbeiter wie Trainer, Kursleiter oder Cafe?-Personal werden nicht nach Beamtentarif bezahlt, sondern in der Aqua Fit GmbH für Zweischichtenbetrieb oder nach Arbeitsanfall eingestellt. In einer Modellrechnung mit geschätzten 120 000 Besuchern jährlich kalkuliert Knechten mit Kosten von 661 000 Euro, wovon der Personalkostenanteil mit 263 000 tatsächlich gering ausfällt. Bei angenommenen Einnahmen von 338 000 Euro ergibt sich ein Defizit von rund 280 000 pro Jahr. Weniger als 300 000 für das alte und vor allem: das in einem neuen, viel attraktiveren Bad und mit eingerechneten Instandhaltungskosten. Dies bei Eintritten für Erwachsene von vier, Kindern 2,50 und Familien 8,50 Euro. "Ein Stück Lebensqualität", sagt Knechten.


08.09.2005     PETER VOSS

Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen Kommanditgesellschaft