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Dienstag, 13.05.2003
Wirtschaft und Verbraucher
Belastungs-EKG für 30 Euro
Die Kassen-Leistungen umfassen das Notwendige. Deshalb brauchen Patienten auf individuelle Gesundheitsleistungen wie VorsorgeUntersuchungen nicht zu verzichten. Sie müssen diese nur selbst bezahlen.
Von WOLFGANG BÜSER
DÜSSELDORF. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) krankt - vor allem an zu hohen Kosten im Verhältnis zu (nicht minder hohen) Beiträgen. Die Folge: Beiträge werden weiter erhöht, Leistungen verringert. Die dadurch entstandenen - auch schon vorher bestehenden - Lücken können geschlossen werden durch "IGeL" = Individuelle Gesundheitsleistungen.
Die Leistungen der GKV dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten". Anders ausgedrückt: Auf Leistungen, die nicht notwendig oder die unwirtschaftlich sind, haben Versicherte keinen Anspruch. Solche Leistungen dürfen Ärzte für Rechnung der gesetzlichen Krankenkassen also auch nicht verordnen.
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Keine Frage, dass es für den Arzt im Einzelfall nicht einfach ist, jeweils herauszufiltern, ob er "das Maß des Notwendigen" außer Acht lässt. Anhaltspunkte liefert ihm dafür eine Liste von Leistungen, die durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ausgeschlossen worden sind. Dabei handelt es sich unter anderem um kosmetische Operationen, Einstellungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen, vorbeugende Impfungen für Auslandsreisen, Alkoholtests für die Polizei. Auch Bescheinigungen, die Arbeitnehmer für ihren Arbeitgeber oder Eltern für den Kindergarten benötigen, müssen also privat bezahlt werden. Und auch die Verordnung von Heilverfahren für die Rentenversicherung sowie das Ausfüllen von Notfallausweisen und Totenscheinen geht jeweils zu Lasten der Empfänger solcher Papiere.
Außerdem heißt es in den Richtlinien: Wünscht der Patient "über das notwendige Maß hinausgehende ärztliche Leistungen, dürfen diese aufgrund eines privaten Behandlungsvertrages erbracht werden". Ent-sprechendes gilt für Medikamente, die im Rahmen solcher Behandlun-gen vom Arzt verordnet werden. Solche Wünsche dürfen durchaus "geweckt" werden. Den Ärzten ist es natürlich gestattet, ihre Patienten mit sachlichen Informationen darüber zu versorgen, was sie gegebenenfalls zusätzlich zu den Normleistungen der GKV auf eigene Rechnung bei ihrem Doktor "einkaufen" können. "Negativäußerungen über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung sind in diesem Zusammenhang unzulässig und müssen unterbleiben", heißt es dazu in einem Papier einer Landes-Ärztekammer.
Immer häufiger sind denn auch Patienten bereit, für "individuelle Gesundheitsleistungen" (kurz: IGeL") Geld auszugeben. Und immer mehr Ärzte legen "ihre Hemmungen ab" und bieten solche Selbstzahlerleistungen an. Dies war auf einem Kongress in Stuttgart zu hören. Schließlich werde zum Beispiel niemand bestreiten, dass eine reisemedizinische Beratung vor dem Flug in die Tropen geboten ist, und niemand werde in Frage stellen, dass man sich vor dem ersten Marathon intensiv durchchecken lassen sollte. Beide Leistungen dürfen nicht "auf Krankenschein" erbracht werden. Wer es dennoch tut, der begeht "Abrechnungsbetrug", so ein Allgemeinarzt bei einem "IGeL-Kongress".
Es folgt eine Auswahl von Leistungen, die Patienten auf eigene Rech-nung von ihrem Arzt erwarten können, sofern dieser "IGeL-Leistungen" anbietet. Dazu der Preisrahmen; abgerechnet wird nach der offiziellen Gebührenordnung für Ärzte:
kleines Attest zum Beispiel für den Kindergarten, fünf Euro
großes Attest zum Beispiel für ein Pflegeheim, 15 Euro
großes Gesundheitsattest, 20 Euro
medizinisch-psychologische Untersuchung, 25 Euro
Tauchsportuntersuchung, 55 bis 80 Euro
Einstellungsuntersuchung je nach Aufwand
erweiterter "check-up" mit zusätzlichem Laboraufwand incl. EKG und Lungenfunktion, 50 Euro
Belastungs-EKG als private Vorsorge, 30 Euro
Lungenfunktion als private Vorsorge, 15 Euro
Ultraschall des Bauches als private Vorsorge, 25 Euro
Krebsvorsorge für Männer unter 45 Jahren, 20 Euro
HIV-Untersuchung, 21 Euro
Reiseberatung (ohne Impfung), 20 Euro
Reiseimpfung je 5 Euro
Aufbauvitaminkur (15 Injektionen), 75 Euro
Homöopathische Neuraltherapie (10 Injektionen), 60 Euro
Ozoninfusion je 41 Euro
Lichttherapie-Sitzung, 11 Euro
Kosmetische Warzenentfernung je 10 Euro
Wichtig: Der Arzt ist verpflichtet, seine Patienten vorher über die Höhe der Kosten zu informieren.
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